Mit einer ersten Putzaktion hat die Kooperative Gesamtschule (KGS) Sehnde die Patenschaft für drei Stolpersteine übernommen. Die Steine erinnern an drei Anwohnerinnen und Anwohner, die in der Nazizeit deportiert wurden.
Von Michael Schütz
Lehrer Jens Wilczek (von links), Schüler Max Lim und Schülerin Lotta Jahns übernehmen
die erste Pflege der Stolpersteine in der Nordstraße. Quelle: Michael Schütz
Putzschwamm und Reinigungsmittel kamen am Wochenende an der Nordstraße zum Einsatz. Es war eine sicher ungewöhnliche Aktion für einen Sonntagmittag, und der Einsatz von Lehrer Jens Wilczek von der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Sehnde sowie den Schülern Max Lim und Lotta Jahns galt auch nicht einem sauberen Bürgersteig – sondern den dort eingelassenen Stolpersteinen.
Seit 2012 erinnern diese kleinen Gedenksteine aus Messing, die vom Künstler Gunter Demnig gestaltet werden, an jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die in der Nazizeit aus Sehnde deportiert, ermordet oder vertrieben wurden. Jetzt hat die Arbeitsgemeinschaft Gedenktag der KGS Sehnde die Patenschaft für die drei Stolpersteine auf dem Gehweg in Höhe der Nordstraße 7/8 übernommen.
Ermordet in Treblinka
An der Stelle, an der heute ein Wohngebäude steht, befand sich früher das Textilgeschäft Gebrüder Schragenheim, das von Salli Schragenheim und seiner Schwester Paula Königsheim geführt wurde. Beide starben 1942 im Vernichtungslager Treblinka. Ihr Neffe Hans-Leo Brumsack arbeitete ebenfalls in dem Geschäft, das 1938 arisiert wurde. Er wurde 1941 im Rigaer Ghetto ermordet.
Für die AG Gedenktag, die seit einigen Jahren in der KGS zum Thema Holocaust arbeitet, sei es eine Ehre, diese Patenschaft zu übernehmen, erklärte die Zwölftklässlerin Anne Marie Kuwan. Es sei umso wichtiger, der Opfer zu gedenken, da die Zeitzeugen immer weniger würden. Sie erinnerte an die wenige Tage zuvor in Hamburg verstorbene Holocaust-Überlebende Esther Bejarano, die in den vergangenen Jahren Schulen besucht hat, um dort von ihren Erlebnissen in den Konzentrationslagern zu berichten. „Es ist wichtig, diese Erinnerungen wach zu halten.“
KGS-Leiterin Sandra Heidrich hob hervor, dass die Stolpersteine, von denen es in der Kernstadt und in Ilten insgesamt neun gibt, der Geschichte die Anonymität nehmen. „Auch bei uns ist das Unfassbare geschehen.“ Als Schule gegen Rassismus und für Courage stehe die KGS gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung.
Die drei Stolpersteine an der Nordstraße erinnern an die Familie Schragenheim, die bis zur
Arisierung 1938 an dieser Stelle ein Textilgeschäft betrieb.
Kruse lobt Erinnerungsarbeit
Bürgermeister Olaf Kruse betonte, wie wichtig die Erinnerungsarbeit der KGS sei. „Die Aufarbeitung der Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus begann in der Schule in den Jahren 1993 und 1994.“ Ohne diese intensive Arbeit im Unterricht und in den Projektgruppen gäbe es die Erinnerungskultur in Sehnde wohl nicht, lobte das Stadtoberhaupt.
Da das Gebäude, in dem das Textilgeschäft Schragenheim einst war, heute nicht mehr existiert, hatten Schülerinnen und Schüler sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Banner ausgerollt, auf denen Ansichten vom damaligen Geschäftshaus und den drei Personen abgebildet waren.
Die Patenschaft der KGS für die Stolpersteine führt nicht nur dazu, dass sie zweimal im Jahr gereinigt werden, wie Lehrer Jens Wilczek erklärte. Die Schicksale der Betroffenen würden auch Gegenstand des Unterrichts und der Arbeit in der AG Gedenktag sein.