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HAZ vom 11.11.2022

Wider das Vergessen

Gedenkfeier im Rathaus: Projektgruppe Stolpersteine und Stadt erinnern an Opfer des Nationalsozialismus / Schweigemarsch zu Stolpersteinen

Von Katja Eggers

Dauerhaftes Projekt: Die Jungen und Mädchen der Grundschule Breite Straße suchen die Stolpersteine an der Mittelstraße auf. Foto: Katja Eggers
Dauerhaftes Projekt: Die Jungen und Mädchen der Grundschule Breite Straße suchen

die Stolpersteine an der Mittelstraße auf. Foto: Katja Eggers


Vor 84 Jahren, am 9. November 1938, riefen die Nationalsozialisten dazu auf, jüdische Geschäfte und Synagogen zu zerstören. Die Judenverfolgung erreichte mit der Reichspogromnacht eine neue Dimension. In Sehnde haben die Stadt und die Projektgruppe Stolpersteine, die die Geschichte der vertriebenen Juden in Sehnde aufarbeitet, an diesen Schicksalstag der deutschen Geschichte einmal mehr mit einer Gedenkfeier erinnert.

Bevor im Saal des Rathauses vor allem Reden und Vorträge in den Vordergrund rückten, machten Mädchen und Jungen der Grundschule Breite Straße mit dem Lied „Anders als du“ auf die Unterschiedlichkeit der Menschen aufmerksam. Die Grundschule ist seit 2011 Patin für die Stolpersteine der jüdischen Familie Rose an der Sehnder Mittelstraße und setzt sich mit dem Schicksal der ehemaligen Schülerin Gerda Rose und ihrem Bruder Hans-Georg Rose auseinander. Anlässlich der Gedenkfeier hatte die Grundschule am Vormittag einen Schweigemarsch zu den Stolpersteinen unternommen.

Musikalischer Auftakt: Die Klasse 4a der Grundschule Breite Straße singt das Lied „Anders als du“. Quelle: Katja Eggers
Musikalischer Auftakt: Die Klasse 4a der Grundschule Breite Straße singt das Lied „Anders als du“. Quelle: Katja Eggers

 

KGS initiiert eigene Ausstellung

Dem Vergessen entgegenzuwirken, darum geht es auch der Arbeitsgruppe „Gedenktag“ der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Sehnde. Die KGS hat die Patenschaft für die Stolpersteine zur Erinnerung an die Familien Königheim, Schragenheim und Brumsack an der Nordstraße übernommen. Der Ausschwitzgedenktag am 27. Januar ist an der Schule fester Bestandteil der Erinnerungskultur und wird mit wechselnden Arbeiten und Projekten begleitet.

„Wir arbeiten am Gedenken und setzen uns kritisch mit der Geschichte auseinander“, erklärte Geschichtslehrer Dirk Krüger. Er gewährte zudem Einblicke in die Arbeit der Arbeitsgruppe, die an der KGS regelmäßig für mehrere Tage eine Ausstellung zum Thema aufbaut und stetig erweitert. Im Reflexionsraum können Schülerinnen und Schüler nach dem Besuch der Schau ihre Eindrücke und Gefühle aufschreiben. „Die schrecklichen Bilder aus der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau prägen mich bis heute – es ist wichtig, dass meine Generation an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes erinnert“, betonte die ehemalige KGS-Schülerin Anne-Marie Kuwan, die seinerzeit aktiv in der AG mitwirkte.

Sehndes Bürgermeister Olaf Kruse lobte in seiner Eröffnungsrede das Engagement der jungen Menschen: „Sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und dem Vergessen entgegenzuwirken.“ Kruse betonte, dass es wichtig sei, auch einen kritischen Blick auf die Gegenwart zu haben und gemeinsam für die Zukunft zu mahnen.

Regina Runge-Beneke, die als Geschichtslehrerin in ihrer aktiven Zeit mit Schülerinnen und Schülern an der KGS die Geschichte der Sehnder Opfer des Nationalsozialismus aufbereitet hat, rückte in ihrem Vortrag das Thema „Antisemitismus heute“ in den Fokus. Die aktuelle Diskussion um den Anschlag in Hanau zeige, dass der Antisemitismus sowohl in der Gesellschaft als auch in den Sicherheitsorganen verankert sei und diese Gefahr unterschätzt, heruntergespielt und verleugnet wurde und werde.

„Antisemitismus ist hochaktuell und brandgefährlich“, mahnte die Historikerin und verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Gruppe QAnon, die seit 2017 von den USA aus Verschwörungstheorien mit rechtsextremen Hintergrund im Internet verbreitet.